der Naturwissenschaften
und der Technik
Massenproduktion im globalen Kartell
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Günther Luxbacher |
Fragestellung
Die Herstellung von Gütern in hohen Stückzahlen stellt die technologische Basis der Konsumgesellschaft dar. Die vorliegende Arbeit versucht mit empirischer Ausrichtung eine definitorische Annäherung an den Prozeß der Massenproduktion. Welche Schwierigkeiten waren in einer modernen, montageintensiven Industrie zu überwinden, um von der Einzelfertigung über die Serien- und Großserienfertigung zur Massenproduktion zu kommen? Welche Rationalisierungsschritte wurden durchlaufen, vor allem im technischen, arbeitsorganisatorischen und wirtschaftlichen Bereich? Diese Fragen sollten an einem repräsentativen Beispiel im zeitlichen Längsschnitt und mit meso- und mikroökonomischer Ausrichtung beantwortet werden. Zunächst jedoch mußten Kriterien aufgestellt werden, um ein brauchbares Beispiel für eine derartige Industrie zu finden, anhand der diese Fragen möglichst exemplarisch beantwortet werden konnten. Damit beschäftigt sich der erste Teil der Untersuchung.
Im Laufe der Arbeit wurde klar, daß man bei einem modernen Querschnittsprodukt unterscheiden mußte zwischen produkttechnischen und produktionstechnischen Rationalisierungsschritten, zwischen arbeitsorganisatorischen Schritten im engeren Sinne, etwa dem Übergang vom Abteilungssystem zur Fließarbeit und solchen im weiteren Sinne, etwa im Bereich der Unternehmensorganisation als Ganzes, bei Fusionen und unternehmensinternen Umstrukturierungen.
Das bedeutete, daß eine Rekonstruktion technischer Handlungsabläufe und ihres historischen Wandels vom Rohstoff bis zur fertigen Ware zu leisten war. Diesen Fragen widmet sich der produktionstechnische Teil der Untersuchung, der wiederum in einen für die Herstellung der Einzelteile die ja aus grundverschiedenen Materialien bestehenden, und in einen für die Montage dieser Einzelteile zerfiel. Innerhalb dieser Teile wurde mit den vorhandenen Quellen versucht, möglichst in jedem einzelnen Fall den gesamten Untersuchungszeitraum zu überstreichen, um den Wandel der jeweiligen Produktionstechnik fassen zu können. Besonderer Wert wurde dabei auf Fließarbeit und die zunehmende Maschinisierung von Montagevorgängen gelegt. Letztere wurden häufig als Engpässe der Produktion betrachtet. Bei dieser Betrachtungsweise ergab es sich von selbst, nicht bei der Einführung von Fließarbeit, sondern erst mit dem Einsatz von "Hochleistungsmaschinen" von wirklicher Massenproduktion zu sprechen. Danach wurde auf einer eher unternehmensgeschichtlichen Ebene versucht, den Wandel betriebsinterner Strukturen zu untersuchen bzw. darzustellen, wie sich das Verhältnis zwischen den wichtigsten deutschen Marktteilnehmern bis zur Osram-Fusion gestaltete.
Schließlich kristallisierte sich sich heraus, daß das gewählte Beispiel der Glühlampenindustrie, an Hand dessen diese Vorgänge untersucht werden sollten, neben der Kabelherstellung die am frühesten kartellisierte Branche der Elektroindustrie überhaupt darstellte, ja sogar jene Branche war, die eines der ersten interkontinentalen, später globalen Kartelle gründete. Wenigstens in der Zwischenkriegszeit galt die Lampenindustrie als prototypisches Beispiel für ein globales Kartell, weshalb wir heute relativ gute Einblicke in das Innenleben dieses Weltkartells zur Verfügung haben. Deshalb gibt der nächste Teil einen Überblick über die Entwicklung des Phöbus-Weltkartells bis zu seiner endgültigen Auflösung 1943/1962.
Welche Wechselbeziehungen zwischen den genannten Sphären der technischen und wirtschaftlichen Rationalisierung waren zu erkennen? Vor allem sollte untersucht werden, welche Rationalisierungsmaßnahmen im technischen und wirtschaftlichen Bereich zeitlich parallel zueinander abliefen und danach gefragt werden, ob und welche Wechselbeziehungen dabei eine Rolle spielten. Welche Stellung hatten die deutschen Unternehmen in Forschung und Entwicklung, im Rahmen der gegenseitigen Lizensierungspolitik und letztlich im Rahmen des gemeinsam aufgebauten Glühlampen-Patentpools?
Erst im Laufe der Recherchen wurde klar, daß diese weltweit gültigen Produktions- und Absatzstrukturen auch Auswirkungen auf andere Bereiche der Elektroindustrie hatten. So begannen sich die großen, international tätigen Radioröhrenhersteller in den dreißiger Jahren nach dem Vorbild der Glühlampenhersteller zu organisieren. Bei der Radioverstärkerröhre, einem der Glühlampe über weite Strecken verwandten Produkt, bildeten sich sehr ähnliche Produktions- und Kartellstrukturen heraus, ja die deutsche Glühlampenindustrie war über ein Jahrzehnt lang auch der wichtigste Hersteller von gängigen Radioröhren.