Verlag für Geschichte
der Naturwissenschaften
und der Technik

Zur Geschichte von Forschungstechnologien

Übersicht | Inhalt | Vorwort | Links

 (2012) (2012)

Klaus Hentschel (Hrsg.)
Zur Geschichte von Forschungstechnologien
Generizität – Interstitialität – Transfer
492 Seiten, 50 Abb., Gb., 45,00 Euro
ISBN 978-3-86225-105-6
Themenband zur Jahrestagung der Deut­schen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik im Herbst 2011.

 

Vorwort

Die Entstehung und Entwicklung der modernen Wissenschaften ist begleitet und geprägt von der Herausbildung spezifischer Forschungstechnologien. Diese zeichnen sich durch das Zusammenspiel spezialisierter Apparaturen und Instrumente aus, ferner durch deren Handhabung und Weiterentwicklung durch hochqualifizierte Experten sowie durch ihre Verbreitung über Disziplinengrenzen hinaus – häufig auch in technische und medizinische Lebensbereiche hinein. Bereits die Ausbildung zum Wissenschaftler an Hochschulen oder Universitäten ist eng an das Erlernen bestimmter Forschungstechnologien gebunden – sowohl im materiell-technischen wie auch im methodisch-hermeneutischen Sinn.

Während man bei Forschungstechnologien meistens an Beispiele aus dem 20. Jahrhundert denkt – etwa an Lasertechnik, Gentechnik oder bildgebende Verfahren in der Medizin –, wurde auf der Stuttgarter Jahrestagung der DGGMNT zum Thema »research technologies« – Forschungstechnologien geprüft, ob das Konzept der Forschungstechnologien historisch breiter angewendet werden kann. So wurde diskutiert ob nicht auch Quadranten, Teleskope und Mikroskope, Luftpumpen und Thermometer als frühneuzeitliche Forschungstechnologien zu begreifen sind. Während manche – in Anlehnung an die Werke von Terry Shinn und Bernward Joerges – für restriktivere Anwendung des Begriffs Forschungstechnologien auf das Phänomen der techno-science plädierten, stellten andere die Frage, warum man früher als Künste qualifizierte Techniken des Präparierens, des Konservierens oder des Veredelns nicht auch als Forschungstechnologien verstehen könne? Lassen sich Methoden des Sammelns und Ordnens, des Exzerpierens und Verzeichnens der Textanalyse und Datenverarbeitung (data mining) nicht als Forschungstechnologien der vormodernen Gelehrtenwelt bzw der modernen Geisteswissenschaften begreifen? Die Frage der »Rückverlängerung« des Konzeptes in die Vergangenheit ist daher ein Thema, das im vorliegenden Band kritisch reflektiert wird.

Neben der Bedeutung spezifischer Forschungstechnologien für die Herausbildung oder Entwicklung bestimmter wissenschaftlicher Felder oder Disziplinen wurde auf der Jahrestagung auch nach der Zirkulation und Aneignung von Forschungstechnologien in verschiedenen historischen, geographischen und disziplinären Kontexten gefragt. Hierbei interessierte besonders das Verhältnis von universitären und außeruniversitären Orten der Wissensproduktion, etwa die Bedeutung spezialisierter industrieller Hersteller von Forschungsapparaturen und der Transfer spezialisierten Wissens durch handwerkliche oder industrielle Akteure, das Militär und außeruniversitäre Forschungsinstitute. Nicht zuletzt wurde somit auch die Frage nach den zentralen Akteuren solcher Transferprozesse gestellt und in wie weit man solche Akteure als Forschungstechnologen bezeichnen kann oder soll.

Insgesamt trug die Stuttgarter Jahrestagung der DGGMNT dem interdisziplinären Auftrag der Gesellschaft in besonders gelungener Weise Rechnung. Die medizinhistorische, technikhistorische und wissenschaftshistorische Dimension des Themas wurde in zahlreichen Sektionen und Einzelvorträgen exemplarisch vorgeführt und diskutiert und nicht zuletzt die key-note Vorträge von Terry Shinn, Myles Jackson und Carsten Reinhardt haben der Tagung wichtige intellektuelle Impulse gegeben. Im Namen der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik e.V. möchte ich mich bei dem Herausgeber Klaus Hentschel und seinem lokalen Organisationsteam für die Bemühungen bedanken, die Jahrestagung 2011 an der Universität Stuttgart ausgerichtet und Ihnen, liebe Leser, die Früchte der Tagung zugänglich gemacht zu haben. Der Stuttgarter Abteilung für Geschichte der Naturwissenschaft und Technuik sowie dem Verein der Freunde des Historischen Instituts der Universität Stuttgart danken wir für Druckkostenzuschüsse.

Andreas Fickers (Universität Maastricht), Vorsitzender der DGGMNT

Übersicht | Inhalt | Vorwort | Links