Verlag für Geschichte
der Naturwissenschaften
und der Technik

Geschichte der Naturwissenschaft in der Entwicklung ihrer Denkweisen

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 (1991) (1991)

Stephen F. Mason
Geschichte der Naturwissenschaft in der Entwicklung ihrer Denkweisen
734 Seiten, Gb., Vergriffen.
ISBN 978-3-928186-00-1
(Dieser Titel ist vergriffen!)
Das nach wie vor unübertroffene Standardwerk zur Geschichte der Naturwissenschaft.

Einführung

Die Wissenschaft von der Natur, so wie sie sich uns heute darstellt, erscheint erst verhältnismäßig spät in der Folge der Entwicklung der menschlichen Zivilsation. Vor Beginn der Neuzeit können wir eigentlich nicht von einer eigenen naturwissenschaftlichen Tradition sprechen, die sich von derjenigen der Philosophen und der der Handwerker unterscheidet. Die Wurzeln der Naturwissenschaft reichen dennoch tief und erstrecken sich zurück bis in die Zeit vor dem Auftreten der Zivilisation. Wieweit wir auch die Menschheitsgeschichte zurückverfolgen, immer stoßen wir auf irgendwelche technischen Verfahren, auf Kenntnisse und Vorstellungen, die eine Beschäftigung mit der Natur verraten. Solche Kenntnisse ordnete man jedoch im Altertum allzu gern den Ansprüchen der philosophischen oder der handwerklichen Tradition unter. So kam es, daß den hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen der alten Griechen durch philosophische Überlegungen eine Grenze gesetzt wurde und ihre beiden wichtigsten astronomischen Systeme in einen gewissen Widerspruch zu Beobachtungstatsachen getieten, die schon damals eigentlich nicht übersehen werden konnten.

Historisch gesehen entspringt die Naturwissenschaft in der Hauptsache aus zwei Quellen: erstens aus der technischen Überlieferung, in welcher praktische Effaurungen und Kunstfertigkeiten von einer Generation zur anderen übermittelt und weiterentwickelt wurden, und zweitens aus der geistigen Überlieferung, durch die sich die Weitergabe und Verdichtung menschlichen Trachtens und menschlicher Vorstellungen vollzog. Dürfen wir nach der Kontinuität in der Entwicklung der von den steinzeitlichen Menschen benutzten Werkzeuge, nach ihrem Totenkult und nach ihren Höhlenzeichnungen urteilen, so bestanden solche Überlieferungen bereits vor dem Auftreten der Zivilisation. In den bronzezeitlichen Kulturen scheinen sich beide Traditionen weit voneinander zu trennen, die eine fortgeführt von Handwerkern, die andere getragen durch Gemeinschaften von Priestern und schriftkundigen Beamten, obwohl auch diese damals eine Reihe von praktisch nützlichen technischen Verfahren beherrschten.

Auch in den folgenden Kulturen blieben beide Überlieferungen großenteils unbeeinflußt voneinander, differenzierten sich jedoch weiter durch die Abspaltung des Philosophen vom Priester und schriftkundigen Beamten und durch die Scheidung der Handwerker nach ihren verschiedenen Gewerben. Fanden wohl gelegentlich Annäherungen statt, insbesondere im alten Griechenland, so begannen beide Elemente im allgemeinen doch erst im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit sich wieder einander zu nähern, um dann durch ihre Vereinigung eine neue Tradition einzuleiten, die der Naturwissenschaft. Seither nahm die Naturwissenschaft eine immer selbständigere Entwicklung und führte infolge ihrer Zusammensetzung aus praktischen und aus theoretischen Elementen zu Ergebnissen, die sowohl technische als auch philosophische Folgerungen zu ziehen erlaubten. Dadurch beeinflußte die Naturwissenschaft nicht nur rückwirkend ihre eigenen Quellen, sondern griff schließlich auch auf Bereiche über, die weit abseits von ihren unmittelbaren Ursprüngen lagen. Mit diesen Fragen wie überhaupt mit der inneren Entwicklung des wissenschaftlichen Fortschritts wollen wir uns in diesem Buch beschäftigen.

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