der Naturwissenschaften
und der Technik
Die PAL-SECAM-Kontroverse in der DDR
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Gerald Glaubitz |
Vorwort
Wie es bereits der Begriff andeutet, ist Technikgeschichte ein durch und durch interdisziplinäres Unternehmen. Es vereinigt in sich Aspekte der Technik und die Sichtweise der Geschichtsschreibung. Dominierend ist zur Zeit sicherlich der kulturhistorische Zugang. Da er möglicherweise den Höhepunkt seiner stimulierenden Wirkung überschritten hat, kommen zwangsläufig weitere Facetten der Technikgeschichte in den Blickpunkt. Denkbar ist ein Renaissance technikwissenschaftshistorischer Betrachtungen, ,aufgeladen? durch die Erkenntnisse der Kulturgeschichte der Technik. Nicht entfernt ausgeschöpft sind jedoch die Möglichkeiten, die sich der Technikgeschichte im Umfeld der Allgemeingeschichte, der politischen Geschichte bieten. Denn: eine politische Geschichte als Diplomatiegeschichte wird umgekehrt nur noch selten als integrale Geschichtsschreibung empfunden werden.
Mag sein, daß die Technikgeschichte, wenn sie versucht, in den Diskurs der Allgemeingeschichte einzugreifen, Gefahr läuft, sich immer wieder von den Kriegen und ihrer allzu offensichtlichen Abhängigkeit vom Stand der Technik gefangen nehmen zu lassen. Setzt man sich jedoch, wie im Fall der Farbfernsehkontroverse, mit einem Teilgebiet der Konsumelektronik auseinander, analysiert man zwar ebenfalls Technik im politischen Spannungsfeld. Der Beitrag, den man damit zur Allgemeingeschichte leistet, erscheint hier aber weit weniger selbstverständlich als im Fall der Militärtechnik. Er ist ein Ergebnis umfassender und konstruktiver Geschichtsschreibung. So hat Andreas Fickers in einer vorausgegangenen Studie es unternommen, die komplexen politischen und industriegeschichtlichen Beziehungen zwischen Frankreich und der Bundesrepublik, gesehen aus dem Blickwinkel der deutsch-französischen PAL-SECAM-Farbfernsehkontroverse, darzustellen.
Gerald Glaubitz befaßt sich im vorliegenden Buch mit den Auswirkungen der PAL-SECAM-Kontroverse auf die deutsch-deutschen Beziehungen. Dabei erlaubt es die Entscheidung der ehemaligen DDR für das französische (beziehungsweise das französisch-russische) SECAM, tief in die politische Geschichte der DDR und in ihre Beziehung zur UdSSR einzudringen. Nicht nur werden hier die bislang als Vermutung der westdeutschen Industrie bekannten Vorlieben der DDR-Technik für PAL und, umgekehrt, die frühe Entscheidung pro SECAM seitens der DDR-Politik aufgrund neuer Dokumente untermauert. Im Licht dieser Entscheidungsfindung werden vor allem zentrale Figuren, wie etwa Walter Ulbricht und Leonid Breschnew, oder die großen wirtschaftspolitischen Perioden der DDR-Geschichte, letztlich auch der Kampf der DDR um internationale Anerkennung in einem Maße lebendig, das deutlich über traditionelle Geschichtsschreibung hinausgeht.
Walter Kaiser, im Juli 2003
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