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Der Computer als Werkzeug und Medium

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 (2000) (2000)

Michael Friedewald
Der Computer als Werkzeug und Medium
Die geistigen und technischen Wurzeln des Personalcomputers
(Aachener Beiträge zur Wissenschafts- und Technikgeschichte des 20. Jahrhunderts, Band 3)
503 Seiten, 123 Abb., Pb., 38,50 Euro
ISBN 978-3-928186-47-6
Die bislang ausführlichste Darstellung der Frühgeschichte des Personalcomputers in deutscher Sprache.

 

Motivation und Fragestellung

Wenn heute vom Computer gesprochen wird, ist meist der kleine Computer mit Tastatur, Bildschirm und Maus gemeint, der seit 1981 den Weg in Millionen Büros und Haushalte gefunden hat. In den allermeisten Fällen wird dieses Gerät zur Textverarbeitung, für Kalkulationen und nicht zuletzt zum Spielen verwendet. Mit dem Siegeszug des Internets ist es seit Mitte der 1990er Jahre auch zunehmend zum Medium für Kommunikation und Information geworden. Diese Geräte werden in der Regel als Personal Computer (PC) bezeichnet.

Zuvor war für fast 40 Jahre ein ganz anderes Bild vom Computer vorherrschend. Computer waren riesige technische Geräte, mit deren Betrieb ein ganzes Team von Technikern, Operateuren und Programmierern beschäftigt war. Sie waren so groß und teuer, daß sich nur große Unternehmen, Behörden und das Militär Computer leisten konnten, die damit komplizierte Berechnungen anstellten oder große Datenmengen verwalteten. Obwohl im Lauf der Jahre immer mehr Menschen z. B. in Form von Lohn- und Gehaltsabrechnungen mit der elektronischen Datenverarbeitung in Berührung kamen, blieb der Computer für die allermeisten eine Technik weit jenseits des eigenen Erfahrungs- und Verständnishorizonts. Für sie handelte es sich gleichzeitig um eine magisch-faszinierende als auch als bedrohlich empfundene neue Technologie.

Diese Großcomputer oder Mainframes haben zwischen 1945 und 1975 eine beispiellose Karriere gemacht. Nach einer Zeit erster Entwürfe und Prototypen wurden sie ab 1950 industriell hergestellt. 1955 waren in den Vereinigten Staaten immerhin schon 240 Großcomputer in Betrieb. 1974, noch vor der Markteinführung der ersten Personal Computer, wurde der Bestand allein in den USA auf 165 000 geschätzt.

Obwohl Großcomputer und Personal Computer im wesentlichen die gleiche logische Grundstruktur besitzen, aus den gleichen elektronischen Bauelementen aufgebaut sind und auf ähnliche Weise programmiert werden, handelt es sich doch um Artefakte, die nichts miteinander zu tun haben. Trotz aller Ähnlichkeiten ist der Personal Computer aus einer ganz anderen Kultur hervorgegangen. Dies betrifft sowohl den Entwurf und die Konstruktion des eigentlichen elektronischen Geräts, der sogenannten Hardware, als auch die Herstellung der Software, also der immateriellen Programme zur Steuerung der Hardware. Schließlich unterscheiden sich auch die Anwendungsgebiete des Großcomputers und des Personal Computers ganz erheblich.

Trotz der skizzierten historischen Abfolge – zunächst Dominanz der Großcomputer bis etwa 1975, danach Aufkommen der Personal Computer – haben sich beide Stränge der Computerentwicklung seit den Anfängen des elektronischen Digitalcomputers um 1940 stets parallel entwickelt. Auch heute noch werden für bestimmte Aufgaben Großcomputer verwendet, wirtschaftlich sind sie weiterhin von erheblicher Bedeutung. Während diese Tatsache noch weithin bekannt ist, finden sich in der bisherigen Computergeschichtsschreibung nur wenige Hinweise auf die Vorgeschichte des Personal Computers, seine geistigen und technischen Wurzeln.

Im Gegensatz zur traditionellen Historiographie, die vor allem die Geräteentwicklung und die Entstehung der Computerindustrie behandelt, bietet die Vorgeschichte des Personal Computers eine besondere Gelegenheit, die Verflechtung mit anderen Wissenschafts- und Technikbereichen aufzuzeigen. Diese vielfach übersehene Interdisziplinarität war eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung des Computers zu einem einfach zu bedienenden Werkzeug und Medium für jedermann und weist eindringlich auf die zentrale Rolle des Computers für die Technikentwicklung nach 1945 hin.

Die Darstellung der Vorgeschichte des interaktiven persönlichen Computers orientiert sich folglich an drei zentralen Fragestellungen:

  1. Vor welchem kulturellen Hintergrund ist die Idee der persönlichen Informationsverarbeitungsmaschine entstanden, wie hat sie sich im Laufe der Zeit unter dem Einfluß anderer Wissenschafts- und Technikentwicklungen verändert?
  2. In welchen Entwicklungsschritten wurde der Digitalcomputer bei der Umsetzung dieser Ideen von einer reinen Rechenmaschine zu einem universellen Medium für Informations- und Kommunikationsaufgaben umgestaltet?
  3. Wo gibt es Berührungspunkte zwischen den beiden Linien der Computerentwicklung, und welches sind die eigenständigen Problemstellungen, Lösungsansätze und Entwicklungsmethoden bei der Entwicklung interaktiver persönlicher Computer?

Dabei soll auch gezeigt werden, daß sich die eigentliche Computerrevolution – wenn der Begriff der Revolution überhaupt verwendet werden sollte – nicht im Bereich der Hardware abgespielt hat, wie viele bisherige Untersuchungen suggerieren. Es sind vielmehr die in den Programmen realisierten Ideen und Vorstellungen, die den Computer zu einer besonderen Maschine gemacht haben. Da Soft- und Hardware nicht sinnvoll getrennt voneinander betrachtet werden können, wird auch deren Wechselwirkungen zu analysieren sein. Schließlich haben auch die Zeitläufe ihre Spuren hinterlassen: Das beginnende Wettrüsten nach Ende des Zweiten Weltkrieges, die verstärkte amerikanische Technologieförderung während des Vietnamkonflikts und das Aufkommen der sogenannten Gegenkultur in den späten sechziger Jahren, sie alle haben die Computerentwicklung beeinflußt und sind damit mittelbar ein Teil der uns heute umgebenden Technik. Den Charakter dieser Entwicklung hat Pierre Lévy pointiert so formuliert: Der Computer bilde »den Schlußpunkt einer zufälligen Folge lokaler Gegebenheiten und Umstände, die sich zahlreiche Akteure – so gut es eben ging – zunutze machten.«

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