der Naturwissenschaften
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Gustav Magnus und sein Haus
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Dieter Hoffmann (Hrsg.) |
Vorworte
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Vorwort zur Neuausgabe
Nachdem das vorliegende Buch, erschienen im Sommer 1995 anlässlich des 150-jährigen Gründungsjubiläums der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und der Wiedereröffnung des von Grund auf sanierten Magnus-Hauses, eine freundliche Aufnahme gefunden hatte und seit einiger Zeit auch vergriffen war, erscheint nun nach 25 Jahren das Buch in einer neuen und erweiterten Ausgabe. Auch diesmal gibt es einen konkreten Anlass, denn das Magnus-Haus wird 2020 durch die Europäische Physikalische Gesellschaft als EPS Historic Site geehrt, d.h. als Ort von besonderer physikhistorischer Bedeutung.
Die DPG hat wiederum die Drucklegung mit einem großzügigen Druckkostenzuschuss ermöglicht. Herausgeber und Autoren haben sich bemüht, fachliche Unkorrektheiten und sprachliche Unzulänglichkeiten der Beiträge zu korrigieren bzw. zu verbessern; auch sind die Literaturhinweise aktualisiert worden. Darüber hinaus wurden drei neue Beiträge aufgenommen. Johannes Orphal hat gemeinsam mit dem Herausgeber die Beziehungen zwischen Gustav Magnus und Rudolph Clausius thematisiert, die ein neues Licht auf die Entstehungsgeschichte des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik werfen. Ralf Hahn kommentiert zwei bisher unveröffentlichte Autographen von Magnus und Wolfgang Eberhardt gibt einen kurzen Überblick zu den Aktivitäten des Magnus-Hauses, das mit seinen Vorträgen und Diskussionsveranstaltungen ein breites Publikum anspricht und sich als Ort der Begegnung von Wissenschaft und Öffentlichkeit in Berlin etabliert hat.
Last but not least gilt der Dank des Herausgebers dem GNT-Verlag für die engagierte und sachkundige Zusammenarbeit bei der Drucklegung des Manuskripts.
Berlin, im April 2020
Dieter Hoffmann
Vorwort zur Erstausgabe
„Das deutschsprachige Judentum und seine Geschichte ist ein durchaus einzigartiges Phänomen, das sich unter anderem in einem geradezu bestürzendem Reichtum an Begabungen und wissenschaftlicher und geistiger Produktivität äußert.“
An diese Feststellung Hannah Arendts wird man erinnert, wenn man Leben und Werk des Physikers Gustav Magnus betrachtet. Führten zu Beginn des 19. Jahrhunderts Frauen wie Rahel Levin-Varnhagen oder eine Henriette Herz die gebildete Gesellschaft Berlins in ihren Salons zusammen und machten diese zu intellektuellen Zentren der aufstrebenden preußischen Hauptstadt, so war es ein halbes Jahrhundert später Gustav Magnus, der ähnliches für die aufstrebende Wissenschafts- und Industriemetropole leistete. In seinem Haus am Kupfergraben versammelte er talentierte Studenten seines Fachgebiets um sich. Seine Vorlesungen, insbesondere aber sein Privatlaboratorium wurden zum Kristallisationspunkt für eine der bedeutendsten Physikerschulen des 19. Jahrhunderts. Wer in der Physik im Deutschland der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Rang und Namen hatte, entstammte zumeist dem Kreis um Gustav Magnus oder hat zumindest mit diesem in einem regen Kontakt gestanden. Insbesondere trifft das für die Physik in Berlin zu, rekrutierten sich doch aus dem Kreis bis ins 20. Jahrhundert hinein die führenden Fachvertreter an der Berliner Universität und den anderen Einrichtungen physikalischer Forschung der Stadt – angefangen bei Hermann von Helmholtz und Gustav Kirchhoff über August Kundt, Emil Warburg und Rudolph Clausius bis hin zum Begründer der modernen Physiologie Emil du Bois-Reymond.
Gustav Magnus gilt so ganz zu Recht als der Stammvater jener bedeutenden Physiktradition, die Berlin in den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende zu einem Weltzentrum physikalischer Forschung machte.
Die Bedeutung von Gustav Magnus für die Entwicklung der Physik ist indes mit einer Aufzählung seiner berühmten Schüler nicht hinreichend beschrieben. Magnus war nicht nur ein begabter Forscher und begnadeter Lehrer, er war auch das, was man heute mit dem Begriff „Wissenschaftsorganisator“ bzw. „Wissenschaftsmanager“ bezeichnen würde. Diesem Engagement ist es zu verdanken, dass sich sein Privatlaboratorium zu einem der ersten universitären Physikinstitute im Sinne der Moderne profilierte; auch die in seinem Haus seit dem Frühjahr 1843 wöchentlich durchgeführten wissenschaftlichen Diskussionsabende wurden zu einer Institution, die als physikalisches Kolloquium bis heute fortlebt; last but not least ging im Januar 1845 aus dem Magnusschen Kreis die Gründung der Physikalischen Gesellschaft hervor, die heute auf eine 150-jährige, ungebrochene Traditionslinie zurückblicken kann.
Es ist so keineswegs zufällig, dass die Deutsche Physikalische Gesellschaft im Rahmen der Vorbereitung ihres 150. Gründungsjubiläums und in Begleitung der umfangreichen Renovierungsarbeiten des Magnus-Hauses ein Kolloquium veranstaltete, das Leben und Werk von Gustav Magnus würdigte. Bei der Vorbereitung des Kolloquiums, das in den Händen des Fachverbandes Geschichte der Physik lag und im Februar 1994 stattfand, konnte an ein Physikhistorisches Seminar angeknüpft werden, das im Frühjahr 1987 die damalige Arbeitsgruppe Physikgeschichte der Physikalischen Gesellschaft der DDR veranstaltet hatte und aus Anlass des Berlin-Jubiläums ebenfalls Leben und Werk von Gustav Magnus thematisierte; schon damals war dies auf großes Interesse bei den (Ost-)Berliner Physikern gestoßen. Der politische Vereinigungsprozess in Deutschland und die Wiedervereinigung der beiden Physikalischen Gesellschaften erlaubten es, die in Ost und West existierenden physikhistorischen Interessen an der Person von Gustav Magnus zu bündeln und zudem eine allgemeinere kulturhistorische Perspektive zu wählen.
Die Familiengeschichte der Magnus’, die als Handelsleute, Politiker, Maler und Verleger das Berlin des 19. Jahrhunderts prägten, wurde nun ebenso gewürdigt, wie die wechselvolle Geschichte des Magnus-Hauses eine ausführliche Darstellung erfuhr. Als eines der wenigen erhalten gebliebenen architektonischen Kleinode der preußischen?/?deutschen Hauptstadt besitzt es auch große bauhistorische Bedeutung und beherbergte neben Gustav Magnus auch andere prominente bzw. zeithistorisch bedeutsame Bewohner.
Die gute Resonanz des Kolloquiums und die Tatsache, dass das Haus künftig der Deutschen Physikalischen Gesellschaft als wissenschaftliches Begegnungszentrum dienen soll und damit bei vielen Besuchern ein Informationsbedarf über das Haus und seinen Namenspatron entstehen wird, ließen bei den Organisatoren den Wunsch entstehen, die Vorträge auszuarbeiten und in einer kleinen Publikation über Gustav Magnus und sein Haus zusammenzufassen.
Wir möchten an dieser Stelle all jenen danken, die zum Entstehen dieser Publikation beitrugen: insbesondere gebührt unser Dank der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und namentlich ihrem Vize-Präsidenten Professor Dr. Theo Mayer-Kuckuk für das fördernde Interesse an Kolloquium und Publikation und nicht zuletzt für die großzügige finanzielle Unterstützung, die die Drucklegung des Kolloquiums erst ermöglicht hat. Zu danken haben wir ebenfalls der Siemens AG, die das Kolloquium durch die Bereitstellung von Reisemitteln gefördert hat. Der Dank des Herausgebers gilt schließlich dem GNT-Verlag für die engagierte und fruchtbare Zusammenarbeit bei der Drucklegung des Buches.
Berlin, im Januar 1995
Dieter Hoffmann