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Vera Keiser (Hrsg.) |
Von Vera Keiser
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Der fünfzigste Todestag von Otto Hahn am 28.7.2018 war für drei Autorinnen und fünf Autoren mit wissenschaftshistorischer Ausrichtung der Anlass, ihre Forschungen zu einer Sammlung ganz verschiedener Essays zusammenzutragen, die sich mit Hahn selbst oder mit der Radioaktivitätsforschung befassen, die er mitbegründet hat. Im Jahr 1968 starben aber auch Edith Hahn (am 14.8.) und Lise Meitner (am 27.10.). Auch ihrer soll gedacht werden. Im Mittelpunkt der Betrachtung dieses Buches steht der Radiochemiker und der Mensch Otto Hahn. Um der Komplexität eines fast neunzig Jahre währenden Wissenschaftlerlebens Rechnung zu tragen, in einer Welt, in der technischer Fortschritt so rasant an Fahrt aufnahm, dass sowohl Otto Hahn als auch Lise Meitner im hohen Alter der Entwicklung ihrer Fachgebiete, die sie selbst mitbegründet und gestaltet hatten, kaum noch folgen konnten, ist eine komplexe Herangehensweise zweckmäßig. Die Sichtweise mehrerer Personen, die sich aus verschiedenen Perspektiven dem »Phänomen Hahn« nähern, soll ein vielschichtiges Bild entstehen lassen. Es ist aber auch klar, dass die Beiträge zu diesem Buch nur Schlaglichter sein können. Zusammengenommen ergeben sie ein reizvolles Kaleidoskop, welches neue Einsichten vermittelt, vor allem über Otto Hahn, doch auch über Lise Meitner, über Naturforschung und Technikgeschichte, aber auch über die Arbeit der Historikerinnen und Historiker zu diesem Themenbereich.
Da die Beiträge größtenteils unabhängig voneinander entstanden sind und auch jeweils voneinander unabhängig lesbar sein sollen, werden Literaturangaben und notwendige Erläuterungen über das gesamte Buch hinweg eventuell mehrfach genannt. Entsprechend wird der Umgang mit männlichen und weiblichen sprachlichen Formen in den verschiedenen Beiträgen unterschiedlich gebraucht. Der sprachliche Stil, die Auswahl der Illustrationen und die inhaltlichen Schwerpunkte blieben jedem selbst überlassen, was die Vielfalt im Autorenteam widerspiegelt.
Zu Lebzeiten Otto Hahns, seiner Freunde und seiner Weggefährten war der Radiochemiker und der Mensch Hahn hoch angesehen, geschätzt und geliebt. Dies wird im Aufsatz von Elisabeth Kraus deutlich. Im ersten Teil ihres Aufsatzes »Vom Glück begünstigt und glücklich. Eine biographische Würdigung des Radiochemikers Otto Hahn« zeigt sie auf, wie Hahn seine wissenschaftliche Entwicklung zum erfolgreichen Radiochemiker als dem Glück geschuldet beschreibt. Im zweiten Teil versucht sie, Otto Hahns Berufung auf das Glück zu verstehen und zu erklären.
Doch fünfzig Jahre nach dem Tod hat sich sein Bild in der Öffentlichkeit verschoben. Während Lise Meitner oft als übergangenes Genie[1] und eigentliche Entdeckerin der Kernspaltung gefeiert wird, ist Otto Hahn in Verruf geraten. Auf mehreren Websites und vielen Kommentaren aus dem englischsprachigen Raum ist aus dem zu Lebzeiten in aller Welt hoch angesehenen Wissenschaftler und von allem auch als Mensch sehr geschätzten und beliebten[2] Otto Hahn mittlerweile ein »unaufrichtiger«, wenn nicht gar gewissenloser Hahn geworden, der die Zusammenarbeit mit Meitner aus politischen Gründen (Nazikollaborateur!) geleugnet haben soll, um egoistisch den Nobelpreis allein einzustreichen. Zum hundertsten Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges erinnerte man sich in Göttingen des Gaskriegers Hahn, der angeblich chemische Kampfstoffe entwickelt hätte (tatsächlich musste er unter Lebensgefahr die Gasmasken erproben, die Kampfstoffe in Munitionshülsen abfüllen und an der Front den Einsatz organisieren – was er aber angeblich ohne jede Skrupel getan hätte). Aktionsbündnisse verlangen die Aberkennung der Ehrenbürgerwürde Göttingens und die Verurteilung als Kriegsverbrecher. Was war in den Jahrzehnten nach Hahns und Meitners Tod geschehen? Was gab es an neuen Erkenntnissen? Wurden die Zeitgenossen getäuscht? Angesichts dieser Widersprüche stellen sich die Fragen: War das tatsächlich so? Wenn nicht, wie war es wirklich?[3] Und: Warum sollen wir uns heute noch mit Otto Hahn befassen?
Alles Forschen basiert auf den Arbeiten der Vorangegangenen – ein Tatbestand, den Fritz Straßmann (1902–1980), Hahns Mitarbeiter und Mitentdecker der Atomkernspaltung, oft betonte. Rückblickend lässt sich beurteilen, welche wissenschaftliche Bedeutung die Arbeiten von Hahn und Meitner haben, nämlich als Fundament für die nachfolgende Forschung. Darum ist es auch heute interessant, sich mit Otto Hahn zu beschäftigen, obwohl durch die politische Ablehnung der Kernkraft gerade in Deutschland die wichtigste Entdeckung in Misskredit geraten ist.[4] Steigender Energiebedarf bei einer rasch anwachsenden Weltbevölkerung, Versorgungsunsicherheit und nicht zuletzt Klimaschutz haben einerseits die internationale Aufmerksamkeit durchaus auch wieder auf die Erforschung moderner Kernreaktoren und die Verarbeitung des Atommülls gerichtet,[5] während andererseits in Deutschland das Risiko eines Atomunfalls als zu hoch bewertet wird. Weltweit ist der Ausstieg aus der Kernenergie – wie eben in Deutschland und auch einigen weiteren EU-Staaten vorgesehen – längst noch keine beschlossene Sache. Es wird auch kontrovers diskutiert, ob das tatsächlich notwendig und sinnvoll ist. Horst Kant versucht in seinem Beitrag über die Geschichte der Kernenergie einige Hintergründe für solche kontroversen Diskussionen deutlich zu machen. Sein Aufsatz fasst praktisch hundert Jahre Atomforschung übersichtlich zusammen.
Die Entdeckung der Atomkernspaltung ist aber auch deshalb so bedeutsam, weil sie der Wissenschaft das Tor zu einem weiten Feld der naturwissenschaftlichen Erkenntnis über das Wesen der Materie eröffnet hat. Lise Meitner und Otto Robert Frisch (1904–1979) waren die ersten Forscher, die den Schritt in die neue Richtung gemacht haben. Ihrem enormen Wissen ist es zu verdanken, dass sie den Zusammenhang zwischen dem offensichtlichen Zerplatzen des Urankerns in zwei Teile und der schon längst vorhandenen kernphysikalischen Theorie des Tröpfchenmodells entdeckt haben.
Über ein Naturphänomen, welches nur durch die Hahn/Straßmannsche Entdeckung erklärt werden konnte, berichtet Michael Schaaf in seinem Beitrag »Kernspaltung im Herzen der Finsternis – Afrika und die Ursprünge des Nuklearzeitalters«. Der Autor versucht in seinem Beitrag, die Verbindungslinien zwischen der Urankernspaltung und unserem Nachbarkontinent aufzuzeigen. Von der ersten nuklearen Kettenreaktion über das Spaltmaterial für Heisenbergs Reaktorversuche und Oppenheimers Hiroshimabombe bis hin zum einzigen Beispiel für vollständige nukleare Abrüstung, stets führt die Spur nach Afrika. Ein Kontinent, der üblicherweise weniger mit Wissenschaft und technischem Fortschritt in Verbindung gebracht wird. Dennoch liegen hier die Ursprünge des Nuklearzeitalters.
Kann Otto Hahn ein moralisches Vorbild sein? Der Giftgaskrieger des Ersten Weltkriegs ist in Verdacht geraten, ein Nazikollaborateur zu sein, der aus Angst Lise Meitner verraten haben soll – ein Bild, welches von der amerikanischen Chemikerin Ruth Lewin Sime gezeichnet wird.[6] Wie passt das zu einem Hahn, der sich Mitte der 50er Jahre – als Konservativer von den Linken gelobt – den Atomwaffenplänen der Bundesregierung entgegenstellte? Unbeirrt davon, ein rotes Tuch für Atomminister Franz Josef Strauß zu sein, beharrte er auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung.[7] Der couragierte Präsident der Max-Planck-Gesellschaft ist nicht kongruent mit dem vermeintlichen Nazikollaborateur des Kaiser-Wilhelm-Institutes für Chemie, den Sime beschreibt. Diese Unstimmigkeiten waren Anlass für Martin Trömel, sich mit Otto Hahn zu beschäftigen und Ruth Lewin Simes Neubewertung der historischen Persönlichkeit Hahn nachzugehen. Sime und ihr Kollege, der Wissenschaftshistoriker Mark Walker, Autor des bekannten Buches »Die Uranmaschine«, wurden von der Max-Planck-Gesellschaft zu einem Projekt zur Mitwirkung eingeladen, welches die Rolle der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Zeit des Nationalsozialismus umfassend erforschte. Martin Trömel nimmt in seinem Beitrag Stellung zu Walkers Aufsatz über Hahns Institut für Chemie während des Zweiten Weltkriegs. Der Aufsatz von Frau Sime als Beitrag zu dem Sammelband »Gemeinschaftsforschung, Bevollmächtigte und der Wissenstransfer – Die Rolle der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im System kriegsrelevanter Forschung des Nationalsozialismus« beschäftigt sich mit der gleichen Thematik. Diesen unterzieht die Herausgeberin einer detaillierten Analyse. Die Quellenlage ist reichhaltig, aber sie ist auch weitgestreut und unübersichtlich. Deshalb wird vieles zitiert, was anderswo schon einmal in Publikationen, Fernsehsendungen, Rundfunkbeiträgen oder Fachzeitschriftartikeln veröffentlicht wurde, die aber nicht jedem bekannt sind oder nur mühsam beschafft werden können. Allen, die sich über das veränderte Bild Otto Hahns in der öffentlichen Wahrnehmung wundern, soll dieser Band ein Leitfaden zu den Primärquellen sein, um sich selbst ein Bild machen zu können.
Achtzig Jahre nach der Entdeckung der Atomkernspaltung haben sich noch immer unzutreffende Darstellungen darüber erhalten, wer in diesem Prozess welche Rolle gespielt hat. Dass Otto Hahn mit seiner Entdeckung auch die Spaltung des Kerns in zwei annähernd gleich große Teile erkannt hat, wurde schon damals vielfach bezweifelt bzw. nicht erkannt. Am 17. Dezember 2018 jährt sich zum achtzigsten Mal der Tag, an dem endgültig feststand, dass sich in dem bestrahlten Uransalz künstliches Barium gebildet hatte – womit die Kernspaltung entdeckt war. Zu diesem Anlass werden in diesem Buch von der Herausgeberin die relevanten Primärquellen, welche die Arbeits- und Erkenntnisschritte dokumentiert haben, für einen Überblick zusammengestellt. Der Beitrag »Die zeitliche Abfolge der Erkenntnisse im Prozess der Entdeckung der Atomkernspaltung. Eine kommentierte Zusammenstellung der Quellen« ermöglicht der Leserschaft einen Überblick zur eigenen Beurteilung.
Die bei diesen Versuchen verwendeten Geräte waren denkbar einfach. Das komplizierteste war das unscheinbare Geiger-Müller-Zählrohr. Alles andere gehörte zur Grundausstattung eines naturwissenschaftlichen Labors. Die chemischen und physikalischen Experimentiergeräte von Hahn, Meitner und Straßmann wurden nach dem Krieg dem Deutschen Museum in München übergeben. Dort betreut die Autorin Susanne Rehn-Taube dieses inzwischen schon selbst berühmt gewordene Exponat. Beeindruckend ist es deshalb, weil die Einfachheit der verwendeten Geräte in einem frappierenden Gegensatz zu den Folgen des damit entdeckten Phänomens der Kernspaltung steht. Ein Atomkern kann sich auf vielerlei Weise teilen – entsprechend groß ist die Zahl der möglichen zwei Bruchteile. Auf dem Kernspaltungstisch ist die Laborausstattung zusammengestellt, mit der Hahn, Meitner und Straßmann nach Transuranen suchten, mit der die Spaltbarkeit des Atomkerns durch Hahn und Straßmann entdeckt wurde und mit der sie während des Zweiten Weltkrieges die Vielzahl der Spaltprodukte erforschten. Das Ergebnis dieser jahrelangen Arbeit war eine Tabelle[8] mit etwa hundert verschiedenen Bruchstücken, die bei der Teilung eines Urankerns entstehen können. Susanne Rehn-Taube erzählt in ihrem Beitrag die Geschichte dieser Geräte, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Weg ins Deutsche Museum fanden und wie deren Präsentation im Deutschen Museum am Zerrbild, das sich manche von Hahn heute machen, mitgewirkt hat.
Die Experimentiergeräte sind stumme Zeugen der damals noch überschaubaren technischen Vergangenheit. »Oldtimer« sozusagen (zumindest, was die physikalischen Geräte betrifft. Die noch einfacheren chemischen Geräte sind zeitlos). Doch was empfanden die Menschen, die mit diesen Geräten arbeiteten? Manche von ihnen erschienen in SA-Uniform im Institut, andere waren entschiedene Gegner des Regimes. Doch alle arbeiteten zusammen für die naturwissenschaftliche Erkenntnis. Dass Otto Hahn der Direktor dieses Instituts war, machte dies möglich. Dieser Umstand machte auch möglich, dass Lise Meitner, die jüdischer Abstammung war, ungestört forschen konnte – bis zum »Anschluss« ihres Herkunftslandes Österreich an das Deutsche Reich. Nun, als Reichsdeutsche, war sie auch in seinem Institut nicht mehr sicher. Zusammen mit dem Chemiker Paul Rosbaud organisierte Hahn Meitners Flucht. Letzterer war wie Meitner Österreicher und als Berater des Springer-Verlages für die Fachzeitschrift »Die Naturwissenschaften« zuständig. Er verfügte über vielfältige – auch geheime – Verbindungen. Dies war ein Wendepunkt in ihrer bis dahin schon über dreißigjährigen Freundschaft. In dem Beitrag »Lise Meitner und die Familie Hahn« zeigt die Herausgeberin die Stationen des Verhältnisses von Lise Meitner zu Otto Hahn und seiner Familie über die Jahrzehnte hinweg von 1907 bis 1968 anhand von Dokumenten und Bildern.
Ralf Hahn zeichnet in seinem Beitrag »Otto Hahn, Lise Meitner und die Deutsche Physikalische Gesellschaft« den Weg der beiden in dieser auch für die Radioaktivitätsforschung so bedeutenden wissenschaftlichen Gesellschaft nach, von ihrem Eintritt als einfache Mitglieder zu Beginn ihrer Karrieren bis hin zur Ehrenmitgliedschaft und der Verleihung der Max-Planck-Medaille. Auszüge aus dem Briefwechsel von Lise Meitner mit ihrer Kollegin und Freundin Eva von Bahr-Bergius geben einen bisher nicht gekannten Einblick in das Leben dieser Gesellschaft mit ihren 14-tägig stattfindenden Kolloquien.
Otto Hahn kommt in diesem Buch auch als Autor selbst zu Wort. Die in der Abgeschiedenheit der Internierung im Juli 1945 niedergeschriebenen Erinnerungen über »Beziehungen zu Nichtariern 1933–1945«, sind ein sehr unmittelbares Zeugnis über das Leben unter der Nazi-Herrschaft. In diesem Dokument sehen wir, dass Otto und Edith Hahn sich von Anfang an ausdrücklich zu ihren jüdischen Freunden bekannt haben. Dieser »nichtarische« Freundeskreis reichte weit über Lise Meitner hinaus und steht hier im Zentrum von Hahns Betrachtungen. Auch noch als dies gefährlicher wurde, schreckten Otto und Edith Hahn nicht vor konspirativen Aktionen zurück, was letztlich gesundheitliche Folgen für die sensible Edith hatte. Otto Hahn berichtet über seine Art von politischem Widerstand. Es wird in diesen Erinnerungen, niedergeschrieben unmittelbar nach dem Krieg und noch vor Kenntnis des vollen Umfangs der deutschen Schuld, klar, dass er die nationalsozialistische Herrschaft als Unrechtsregime erkannt und deren Einteilungen der Menschen in »arisch« und »nichtarisch« verurteilt hat. Diese Schrift wird hier erstmals und in vollem Umfang von der Herausgeberin kommentiert ediert.
Volker Lässing erforscht die Jahre, in denen Hahns Institut nach Tailfingen auf der Schwäbischen Alb evakuiert war, bevor es seinen endgültigen Standort in Mainz einnahm. Im benachbarten Hechingen waren die Physiker um Heisenberg untergebracht. In der Nähe ist auch die kleine Stadt Haigerloch, wo 1945 im Felsenkeller der letzte deutsche Reaktorversuch durchgeführt wurde. Volker Lässings Beitrag »Otto Hahn und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Tailfingen im Jubiläumsjahr 2018« beschreibt die Geschichte der Wissenschaftler in der kleinstädtischen Umgebung. Durch seine unkomplizierten Umgangsformen hat Hahn unter den Einwohnern schnell Freundschaften geschlossen, die ein Leben lang hielten und heute noch spürbar sind. Der Autor zweier Bücher erzählt die Geschichte der Atomwissenschaftler auf der Schwäbischen Alb und wie ihrer dort auch heute noch gedacht wird.
In diesem Gedenkband zum fünfzigsten Todestag von Otto und Edith Hahn und Lise Meitner soll auch eine Betrachtung nicht fehlen, wie ihr Tod 1968 in der Öffentlichkeit rezipiert wurde. Es ist erstaunlich, wie dicht ihre Todestage zusammenliegen. Edith Hahn, die den Tod ihres Mannes kaum mehr bewusst miterlebt hat, wurde zwei Wochen später, kaum waren die Blumen von Ottos Begräbnis verwelkt, an der gleichen Stelle beerdigt. Drei Monate danach gab es eine stille Bestattung auf dem Kirchhof der St. James Church in der kleinen Gemeinde Bramley, eine Autostunde westlich von London. Der Beitrag der Herausgeberin »Ausklang – Vor fünfzig Jahren: Abschied nehmen von Otto Hahn und Lise Meitner« berichtet über die Anteilnahme der Menschen und wie die Orte, wo die Hahns und Lise Meitner ihre letzte Ruhe fanden, heute aussehen.
Anmerkungen
[1] Lise Meitner – übergangenes Genie, 22. September 2002, abgerufen am 29.5.2018.
[2] Dietrich Hahn hat in seinen Publikationen zahlreiche Belege von Zeitgenossen über ihre Bewunderung und Zuneigung zusammengetragen, die Elisabeth Kraus in ihrem Beitrag thematisiert.
[3] Wir müssen uns darauf einstellen, alle Medien mit einem vernünftigen Maß an Skepsis zu rezipieren. Die Frage »war/ist das wirklich so?« als Filter wird nicht immer vor Einseitigkeit bewahren, aber sie macht vorsichtiger und erinnert an die Gefahr der Vorverurteilung. Sie motiviert zur eigenen Recherche, was allerdings auch nicht immer davor bewahrt, sich diejenigen recherchierten Fakten auszusuchen, die das eigene Weltbild bestätigen und widersprechende zu ignorieren.
[4] Trotzdem streitet die Wissenschaftshistorikergemeinde, wer die »wirklichen« Entdecker sind. Siehe zu dieser Thematik: Rainer Enskat, Vera Keiser: Wie die Kernspaltung entdeckt wurde. Ein Paradigma wissenschaftsinterner Dialektik der Aufklärung, erscheint demnächst in: Rainer Enskat (Hg.) Angewandte Philosophie. Eine internationale Zeitschrift, Heft 1 (Arbeitstitel »Wissenschaft und Aufklärung«), Göttingen 2018.
Im persönlichen Austausch wies Elisabeth Kraus darauf hin, dass das Ableben seiner Freunde, insbesondere Werner Heisenbergs (1976) und Walther Gerlachs (1979), mit dem Erstarken der Anti-Atomkraft-Bewegung und der Grünen zeitlich zusammenfiel, was mit zunehmenden Anfeindungen Otto Hahns korrelierte.
[5] Bezüglich dieser Diskussion sei hier nur stellvertretend auf zwei Beispiele verwiesen: USA entwickeln schwimmendes Atomkraftwerk fürs Meer, 23.4.2014 und Ulli Kulke, Atommüll wird in 20 Jahren nicht mehr strahlen, 14.9.2010, beide zuletzt aufgerufen am 29.5.2018.
[6] »Schon wenige Wochen nach der Entdeckung beanspruchte Hahn das Verdienst dieser Leistung allein für die Chemie. Wenig später verdrängte und leugnete er nicht nur seinen geheimen wissenschaftlichen Austausch mit einer ‚Nichtarierin‘ im Exil, sondern auch fast alles, was Meitner vorher geleistet hatte. Hahns Unaufrichtigkeit verzerrte die wissenschaftliche Erinnerung an diese Entdeckung und kostete Lise Meitner beinahe ihren Platz in der Geschichte. Daß diese Unaufrichtigkeit nie eingestanden wurde, daß sie so unkritisch hingenommen und bewußt festgeschrieben und verbreitet wurde, gehört zu den beunruhigendsten Dingen, die ich in dieser Biographie anspreche.« Ruth Lewin Sime, Lise Meitner – Ein Leben für die Physik, Frankfurt 2001, S. 11.
[7] D. Hahn, Otto Hahn, Leben und Werk in Texten und Bildern, Frankfurt 1988, S. 258.
[8] Die Tabelle der aufgefundenen Spaltprodukte ist ausschnittsweise auf dem Titelbild zu sehen.
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